Plasmatechnologie als innovativer Ansatz für die Wasseraufbereitung
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Die Erdoberfläche ist zu zwei Dritteln mit Gewässern bedeckt, nur drei Prozent davon sind Süßwasser. Während der weltweite Bedarf steigt, erschweren durch den Klimawandel hervorgerufene Extremwetterereignisse sowie menschliche Schadstoffemissionen eine verlässliche Versorgung mit dem kostbaren Gut. Forschende arbeiten darum an innovativen und nachhaltigen Aufbereitungsverfahren. Vielversprechende Ergebnisse liefert die Plasmatechnologie.
"Wasser dauerhaft sicher und gerecht zu verteilen ist die Grundlage für allgemeinen Wohlstand und Frieden." So steht es im Weltwasserbericht der Vereinten Nationen 2024 – schon daran wird die enorme Bedeutung dieser Ressource für das (Zusammen-)Leben deutlich. Nur mit einer zuverlässigen Versorgung dieses Guts können Landwirtschaft, Industrie, Energiewirtschaft und die damit verbundenen Branchen Milliarden Menschen eine Existenzgrundlage sichern. Doch weltweit nehmen die Niederschlagsextreme zu, ebenso wie die Häufigkeit, Dauer und Intensität von Trockenperioden. Fachleute prognostizieren: In Zukunft wird der Klimawandel für noch mehr Überschwemmungen und Dürren sorgen. Es sei davon auszugehen, dass dies die weniger entwickelten Länder, kleine Inseln sowie die Arktis am stärksten betreffen werde.
Laut UN-Bericht leidet derzeit rund die Hälfte der Weltbevölkerung zumindest saisonal unter schwerer Wasserknappheit. Gleichzeitig steigt der weltweite Wasserverbrauch jedes Jahr um fast ein Prozent, was auf die sozioökonomische Entwicklung und damit verbundene Änderungen von Verbrauchsgewohnheiten zurückzuführen ist. Weltweit verwendet die Landwirtschaft etwa 70 % des Süßwassers, welches dem natürlichen Wasserkreislauf entnommen wird.
In Deutschland stammt rund 70 % der Ressource aus Grund- und Quellwasser. Entgegen dem weltweiten Trend sind die Wasserentnahmen hier nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken. Zurückzuführen sei dies auf eine zunehmende Wasserkreislaufführung und -aufbereitung in der Industrie, auf die Reduzierung von Kühlwasser für Kraftwerke und auf Einsparungen bei der öffentlichen Versorgung mit dem Gut. So hat 1990 noch jeder Mensch in Deutschland durchschnittlich 147 Liter Wasser pro Tag verbraucht, 2023 waren es nur noch 121 Liter. Die größten Nutzer sind hierzulande die Energieversorger mit 44,2 % des verbrauchten Wassers (8,8 Mrd. m³), gefolgt von der öffentlichen Wasserversorgung sowie dem Bereich Bergbau und verarbeitendes Gewerbe mit jeweils 26,8 % (5,4 Mrd. m³). Die Landwirtschaft verbrauchte zuletzt mit 0,4 Mrd. m³ nur 2,2 % des bundesweit entnommenen Wassers.
Prof. Dr.-Ing. Irene Slavik (46) ist seit 2021 Professorin für Siedlungswasserwirtschaft mit dem Schwerpunkt Wasserversorgung an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Nach ihrer Dissertation an der Technischen Universität Dresden (TUD) arbeitete sie dort als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur Wasserversorgung. 2015 wechselte sie in die Praxis, um als Betriebsleiterin eines großen Wasserversorgers und dann als Planungsingenieurin in den Bereichen Forschung & Innovation sowie Kläranlagen tätig zu sein.
„Bisher gibt es in Deutschland keinen flä- chendeckenden Wasserstress", heißt es auf der Website des UBA. Ein solches Wassermangelproblem entsteht, wenn in einem Jahr mehr als 20 % der durchschnittlich verfügbaren Wassermenge von 176 Mrd. m³ entnommen wird. Das ist hierzulande nach jüngsten Berechnungen mit einem Wert von 11,4 % nicht der Fall. Doch auch in Deutschland haben die Extremwetterereignisse in den vergangenen Jahren zugenommen. Mehrere aufeinanderfolgende Trockenjahre, wie von 2018 bis 2022, erhöhen das Risiko lokaler oder regionaler Wasserknappheit. Auch der Bewässerungsbedarf in der Landwirtschaft wird in einem solchen Fall größer. „Nach ergiebigen Niederschlägen, wie wir sie 2023 und im Frühjahr 2024 hatten, sind an vielen Orten die Grundwasserspiegel aber auch schnell wieder aufgefüllt", berichtet Wasserexpertin Prof. Dr.-Ing. Irene Slavik von der Hochschule Magdeburg-Stendal.
Insgesamt seien die klimatischen Ver- änderungen eine Herausforderung für die Wasserversorgung, erläutert die Professorin für Siedlungswasserwirtschaft. „Neben dem Mengenmanagement ist auch die Qualität zu berücksichtigen, und da machen sich die gestiegenen Temperaturen bemerkbar. Zum Beispiel, weil sich Mikroorganismen im Grundwasser befinden können, die dort vorher nicht überlebensfähig waren." Hinzu komme eine zunehmende Kontamination der Ressource. „Das Hauptproblem ist, dass wir Menschen das Wasser mit Stoffen verunreinigen, welche die Natur nicht vorgesehen hat und die auch nicht einfach wieder verschwinden." So haben es zuletzt neben Mikroplastik auch die gesundheitsschädlichen per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) wiederholt in die Schlagzeilen geschafft, die mittlerweile in vielen Böden und Gewässern nachweisbar sind. Um das Trinkwasser besser zu schützen, hat die Bundesregierung Mitte 2023 über eine Novelle der Trinkwasserverordnung Grenzwerte für PFAS eingeführt, die ab 2026 einzuhalten sind.
„Wir reden hier von Spurenstoffen", macht Slavik deutlich. „Das sind chemische Substanzen, die in geringsten Konzentrationen vorkommen und sich bis vor Kurzem noch nicht einmal nachweisen ließen. Wenn ich beispielsweise ein Stück Würfelzucker im Bodensee auflöse und anschließend versuche, den Zucker zu analysieren, dann bin ich im Spurenstoffbereich." Mit herkömmlichen Aufbereitungstechniken ist die Beseitigung der langlebigen Chemikalien sehr aufwändig und kostenintensiv. Es braucht darum neue Ansätze und Verfahrenskombinationen, damit die Wasserversorger die künftig geltenden Grenzwerte einhalten können. „Überall dort, wo Produkte mit PFAS hergestellt und verwendet werden, entsteht auf der Abwasser-Seite dieses Problem", sagt die Professorin. „Damit gelangen die organischen Verbindungen in den Wasserkreislauf, aus dem sie dann wieder entfernt werden müssen."
Dr. Marcel Schneider (34) promovierte auf dem Gebiet der Umweltwissenschaften und arbeitet seit 2021 am Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V., wo er sich mit der Anwendung Plasma-basierter Verfahren zur Wasseraufbereitung und der Behandlung schwer abbaubarer Schadstoffe beschäftigt. Seit 2023 leitet er das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt „Physics & Ecology“, in dem die Plasmatechnologie mit etablierten Verfahren kombiniert wird.
An verschiedenen Stellen arbeiten deswegen Forschende an innovativen Technologien, die einen günstigen und zugleich nachhaltigen Abbau von PFAS in Wasser und Klärschlämmen ermöglichen. So hat das Fraunhofer-Institut für Grenzflächenund Bioverfahrenstechnik (IGB) in verschiedenen Verbundprojekten den Einsatz von Plasmaverfahren erprobt. Grundsätzlich lässt sich ein Plasma durch Anlegen einer Hochspannung an mindestens zwei Elektroden in einer elektrischen Entladung erzeugen. Dabei werden physikalische und chemische Prozesse angestoßen: zum Beispiel die Produktion hochreaktiver kurzlebiger Radikale, durch welche die Abwasserinhaltsstoffe ohne chemische Zusätze zersetzt werden. Auch das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) hat bereits in mehreren wissenschaftlichen Studien nachgewiesen, dass sich mittels Plasmatechnologie chemische Verbindungen zersetzen lassen. Gemeinsam mit der Hochschule Neubrandenburg und verschiedenen Wirtschaftspartnern arbeitet das INP zudem im Rahmen des Bündnisses „Physics for Food" an physikalischen Alternativen für die Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung, um dort den Eintrag von Chemie und Schadstoffen zu verringern. Im Teilprojekt „Physics & Ecology" geht es um die Entwicklung von physikalischen Aufbereitungsverfahren, um künftig die Freisetzung von Schadstoffen in die Umwelt zu reduzieren und mehr geschlossene Wasserkreisläufe in der Industrie zu ermöglichen. „Gerade bei der Herstellung von Lebensmitteln ist der Bedarf an Wasser, das anschließend aufwändig gereinigt werden muss, enorm", berichtet Projektleiter Dr. Marcel Schneider. „Wenn wir es schaffen, in der Industrie mehr von dieser Ressource wiederzuverwenden und dadurch Frischwasser einzusparen, sind wir einen großen Schritt weiter."
Je nachdem, welchen Verschmutzungsgrad das Wasser hat und was anschlie- ßend mit ihm passieren soll, kommen in produzierenden Betrieben ganz unterschiedliche Verfahren der Wasseraufbereitung zum Einsatz. „Das wird auch künftig so sein", betont Schneider. „Aber mit der Plasmatechnologie haben wir eine zusätzliche Möglichkeit, die etablierte Verfahren ergänzen kann und beim Abbau bestimmter Schadstoffe wie Pflanzenschutzmittel, PFAS und Pharmazeutika bessere Resultate bringt." So entferne zum Beispiel die gängige Membranfiltration Verunreinigungen nur physisch aus dem Wasser, weswegen sie dann im Anschluss noch aufwändig zu entsorgen seien. „Das Plasma zersetzt dagegen die Schadstoffe direkt im Wasser, theoretisch bei Bedarf bis hin zur vollständigen Mineralisierung." Im Vergleich zum ebenfalls herkömmlichen Verfahren mit Ozon als keimtötendem Oxidationsmittel habe Plasma den Vorteil, dass es stabile Verbindungen wie Pflanzenschutzmittel oder PFAS effektiver zersetze. Die bisherigen Versuchsergebnisse sind vielversprechend. Bei einem Projekt in einer Zuckerfabrik ist es zuletzt gelungen, mit einem Demonstrator Teile des anfallenden Abwassers unter Realbedingungen mit Plasma in Kombination mit etablierten physischen Verfahren wie Ultrafiltration, Ozonung und Aktivkohle zu behandeln. Dabei untersuchten die Forschenden die Wechselwirkung einer realen Wassermatrix mit der Plasmabehandlung sowie das Zusammenspiel verschiedener Verfahrenskombinationen. Bei weiteren Versuchen soll es nun darum gehen, das aufbereitete Abwasser als Prozess- oder Kühlwasser wiederzuverwenden. Damit biete die Methode eine realistische Perspektive für eine künftige Wasserkreislaufführung, macht Projektleiter Schneider deutlich. „Das bestärkt uns in der Annahme, dass innovative physikalische Verfahren wie Plasma bei der Dekontamination von Wasser eine echte Alternative sein können." Gemeinsam mit seinem Team plant er, mit dem Demonstrationssystem noch weitere Anwendungen wie die Aufbereitung von Betriebs- und Regenwasser zu erproben. „Wir sind dabei zu zeigen, dass unsere Technologie funktioniert. Um sie zur Marktreife zu bringen, brauchen wir dann perspektivisch Partner aus der Industrie."
Damit auch in Zukunft ausreichend Wasser in guter Qualität zur Verfügung steht, hat die Bundesregierung kürzlich eine Nationale Wasserstrategie beschlossen. Darin sind umfassende Maßnahmen enthalten, welche die Anpassung der Wasserwirtschaft an den Klimawandel, aber auch andere Themenfelder wie das Risiko von Verunreinigungen durch Pestizide oder Düngemitteln oder die öffentliche Bewusstseinsbildung voranbringen sollen. Für Prof. Irene Slavik ist dies ein Beleg dafür, dass das Thema Wasserressourcen oben auf der Agenda angekommen ist. „Die Politik hat das Problem erkannt und ist bereit, entsprechende Mittel ins System zu geben", meint sie. „Wie das dann praktisch umgesetzt wird, bleibt abzuwarten."
Text: Anne-Katrin Wehrmann
Foto-Credits:
Aufmacher: gettyimages / Westend61
Demonstrator: Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e. V.
Porträt Slavik: Delia Sedlmeier
Infografik: GfG / Gruppe für Gestaltung GmbH, Dustin Schröder und INP
Porträt Schneider: Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e. V.
Plasma: Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e. V.